Heute am Valentinstag beschenken sich die Liebenden mit Naschereien, Herzluftballons und einer Fotobox mit den schönsten gemeinsamen Momenten. So zumindest hat man den Eindruck, wenn man sich den Werbetiraden der Print-und Onlinemedien ausgesetzt sieht. Was Singles an diesem Tage treiben, fällt meist diskret unter den Tisch. Die Paar-Produkte in den Supermärkten und Online-Shops werden angeprießen und die Einzelgänger bleiben auf der Strecke.
Da hat Sibylle Rothfuß aus Detmold momentan ganz andere Sorgen.
Auch sie ist auf der Suche nach ihrer besseren Hälfte. Doch ein Lebenspartner im herkömmlichen Sinne ist in diesem Falle nicht gemeint.
Man sollte wissen, dass Frau Rothfuß bereits in ihrer Kindheit eine leidenschaftliche Bahnfahrerin war. Sie liebte das Geräusch des ratternden Zuges, während die Landschaft an ihrem Gesichtsfeld vorüber zog. Fahrkarten sammelte sie akribisch, um später ihren großen Traum eines eignene Fahrkartenmuseums verwirklichen zu können. Und so fuhr die gute Sibylle auch im Jahre 2005 mit dem ICE von Stuttgart nach Hamburg. Die schnellen Züge hatten es ihr angetan. Freudestrahlend legte sie ihre grüne Wildledertasche in ein Abteil, das sie komplett für sich reserviert hatte. Sie wollte den Zug in vollen Zügen genießen. Überraschend pünktlich verließ die Bahn das Ländle und rollte dahin. Sibylle pfiff vergnügt ein Liedchen und knipste mit ihrer Taschenkamera verschwommene Landschaftsaufnahmen. Vom Rausch der Geschwindigkeit erfasst, begann sie durch das Abteil zu hüpfen und führte ihren eigens kreierten Bahn-Boogie auf.
Mit sich und der Welt zufrieden klatschte die lebensfrohe Frau Rothfuß in die Hände, lachte laut und ging beschwingt zu einem Fenster, um ein wenig Frischluft einzulassen. Vollgetankt mit Energie brachte sie es tatsächlich fertig, ein nicht zum öffnen gedachtes Fenster aus den Angeln zu heben, so dass ein kräftiger Windstoss in ihr Gesicht bließ. Dies entfachte in ihr weitere Glückshormone und die fröhliche Sibylle hielt ihren Kopf aus dem Fenster, um den Fahrtwind um ihre Nase wehen zu lassen. Ihre Sonnenbrille wurde an ihre Wangenknochen gepresst, die langen blonden Spaghettihaare legten sich aalglatt über ihre Kopfhaut, so dass ihre großen Ohrmuscheln freilagen und ein gellender Lärm in Sibylles Gehörgänge drang. Sie strahlte, hielt ihre Arme in den Wind, um ihn zu fassen. Ein Gefühl von Freiheit durchströmte die glückselige Sibylle, als ein lautes „Zack“ erklang und sie mit ihrem Oberkörper gegen einen vorbeisausenden Brückenpfeiler klatschte. Die in chice rote Strumpfhosen gekleideten, sauber vom Oberkörper getrennten Beine der besessenen Zugfahrerin torkelten rückwärts und die untere Hälfte der überraschten Sibylle landete auf dem Gesäß im Zug. „Welch ein Missgeschick“, rief das vor dem Brückenpfeiler liegende, etwas zerknautschte Oberteil von Frau Rothfuß.
Tja, der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Sibylles untere Hälfte fuhr bis nach Hamburg, stieg dort am Hauptbahnhof aus und begann sich blindlings auf die Suche nach dem Oberteil zu machen. Dieses robbte sich seinerseits von dem unsäglichen Brückenpfeiler hinweg, um seine andere Hälfte wieder zu finden.
Und so sind beide Körperteile seit dem Jahre 2005 unterwegs und suchen sich. Auf den Straßen, unter Brücken, in Restaurants, kurz gesagt: überall.
Die folgende Aufnahme zeigt die untere Hälfte der Sibylle Rothfuß, wie sie mittlerweile in Californien angekommen, einen Mülleimer vor einer Waschstraße durchsucht.

Und wir bitten nun alle Singles und glücklichen Paare: bitte helfen Sie! Wer kann die zwei Hälften der Frau Rothfuß wieder zueinander bringen und sie glücklich machen?
Als Belohnung winkt eine Bahncard und eine Eintrittskarte zu Günther Jauchs „Der große Jahresrückblick“, wo diese spektakuläre Zusammenführung dann ausführlich bejubelt und beklatscht wird.
Nun hoffen wir das Beste und wünschen der guten Sibylle, dass für sie der Zug noch nicht ganz abgefahren ist 🙂
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.