Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, wie sieht es mit Ihrem Familienstand aus? Verstehen Sie uns nicht falsch. Wir möchten hier keineswegs den Anschein der Neugierde erwecken und Einzelheiten über Ihre Privatsphäre in Erfahrung bringen. Dennoch interessiert uns die Frage nach Ihrem Befinden. Ist Ihr Gegenüber, so Sie denn überhaupt gebunden sind, ein langweiliger Nörgler? Leben Sie mit einer geschwätzigen Dame unter einem Dach, die nicht für fünf Minuten Ihren Mund halten kann? Sie wissen, man könnte unzählige Beispiele anführen, welche die Frage aufkommen lassen, warum man sich mit einem Menschen eingelassen hat. Nur allzu häufig entdeckt man ungeliebte Eigenheiten an seinem Partner, die zu Beginn der Beziehung unsichtbar schienen.
Wie dem auch sei. Wir vermuten, die meisten Leserinnen und Leser kennen diese Vorgänge und drum sei Ihnen von einem Traumpaar erzählt, dass sich vor einiger Zeit auf der Alm bei der Wurstketten-Partnervermittlung gefunden hat.
Ein sprichwörtlich rätselhaftes Duo begegnete sich im Sommer auf einer Waldlichtung, die in dieser Jahreszeit von vielen Urlaubern besucht wird.
Frau Ana Gramm, Sekretärin einer Sparkassenfiliale in Pfullendorf, hatte sich ein paar Tage frei genommen, ihre geliebten Rätselhefte in den Koffer gepackt und nächtigte im Gasthof der Familie Lamprecht-Zollinger. Zu eben dieser Zeit nahm auch Herr Malte Zahl, seines Zeichens Abteilungsleiter einer Knopffabrik und passionierter Hobbyzeichner, seinen Jahresurlaub und gastierte hier im Weingut.
Frau Gramm befasste sich ausschließlich mit einem Stapel Rätselhefte, während sie von morgens bis abends auf einer Bank an der Waldlichtung saß. Das ganze Jahr über hatte sie hierfür keine Zeit und nun wollte sie ihrer Leidenschaft ungestört nachgehen.
Währenddessen hatte Herr Zahl seine Staffelei auf die Wiese gestellt, einen Bleistift gezückt und versuchte sich im zeichnen der hügeligen Landschaft. Seine künstlerischen Fähigkeiten waren allerdings äußerst begrenzt und so malte er meistens nach Zahlen. Eine unkomplizierte Beschäftigung, worüber man den alltäglichen Stress vergaß und am Ende ein schönes Bild in Händen hatte.
So vergingen die Tage, die Zwei rätselten und zeichneten ohne sich gegenseitig wahrzunehmen.
Bis es dann passierte. Frau Gramm hatte ihr letztes Rätselwort gelöst und wollte zu einem weiteren Heftchen greifen, als sie mit Erschrecken feststellte, dass sie keine weiteren Rätselaufgaben mehr vorrätig hatte. Auch das Almkiosk führte die für ihre Ansprüche nötigen Hefte nicht und die Dame saß ein wenig ratlos mit einem Kugelschreiber in Händen da und starrte in die Weite.
Exakt zur selben Zeit riss Herr Zahl das letzte Blatt Papier von seinem 200-blättrigen Skizzenblock und sah sich ohne die nötige Malunterlage ebenfalls beschäftigungslos. Auch er konnte hier oben auf der Alm kein weiteres hochwertiges Skizzenpapier auftreiben und trottete nun mit seinem Bleistift gedankenverloren auf der Wiese umher, bis er die Bank erreichte, die Frau Gramm im wahrsten Sinne des Wortes bereits besaß.
Ohne zu fragen setzte er sich neben ihr nieder und gemeinsam betrachteten sie das Blau des Himmels.
Nach einiger Zeit erst nahm Frau Gramm die Anwesenheit Herrn Zahls bewusst wahr und blickte ihn an. „Seltsam. Was war denn das für ein Herr?“ fragte sie sich, während sie ihn unentwegt anstarrte. Äußerst rätselhaft kam ihr seine Erscheinung vor. Sie wurde nicht so recht schlau aus dem Mann.
Auch Herr Zahl musterte nun Frau Gramm in aller Ruhe. Doch, ja, sie hatte einen wunderschön wohlgeformten Kopf und eine adrett sitzende Frisur. Auch die braun gebrannten Armpartien sprachen ihn an. Aber der Rest? Irritiert betrachtete der Herr den Körper und die Beine der Dame. „Irgendwie ist ihre Figur nicht ganz zu fassen“, dachte er bei sich. „Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich“.
Und als hätten die Zwei sich abgesprochen, zückten beide just in diesem Augenblick ihre Stifte und begannen an ihrem Gegenüber visuelle Änderungen vorzunehmen. Herr Zahl zeichnete der Frau mit seinem Bleistift intuitiv eine elegante Körperform. Er begann zunächst mit vorsichtigen zarten Strichen.
Währenddessen nahm sich Frau Gramm Herrn Zahls rätselhaften Oberstübchens an und begann Zeile für Zeile nach Lösungswörtern zu suchen, um das Geheimnis des Mannes zu entschlüsseln. Zunächst mutete es etwas seltsam an, als sie nicht sogleich das richtige Wort parat hatte und auf Herrn Zahls Stirn die zusammenhanglosen Worte „Mekka“, „Indigo“ und „Bundeswehr“ zu lesen waren. Frau Gramm musste noch ein wenig tüfteln.
So auch Herr Zahl, der ungeübt mit seinem Zeichenwerkzeug an der Taille der Dame entlang fuhr, niesen musste und die Linie verwackelte, so dass Frau Gramm nun eine gehörige Kerbe in der linken Körperhälfte zu verzeichnen hatte, im wahrsten Sinne des Wortes. Rasch zückte Herr Zahl seinen Radiergummi und korrigierte das Missgeschick. Und so brachten die beiden ungewöhnlichen Zeitgenossen den ganzen Tag damit zu, dem anderen ein Gesicht und Inhalt zu geben. Freilich spielten unbewusst die eigenen Vorstellungen eines perfekten Partners eine Rolle und auf diese Weise wurden Frau Gramm einige Speckröllchen um die Hüften gutgeschrieben, da sich Herr Zahl an solch mollig weichem Anblick erfreute. Und die gute Dame war eifrig dabei, dem Herrn einige wohlklingende Worte auf die Kopffront zu schreiben: „Mitgefühl“ , „Unendlichkeit“ und „Gänseblümchen“ war nun auf der faltenreichen Stirn des Herrn zu lesen.
Da diese zwei ungewöhnlichen Almbesucher aber in jeglicher Hinsicht Perfektionisten ihres Faches waren, verstand es sich für das Paar von selbst, dass sie nicht voneinander lassen konnten. Schließlich musste Herr Zahl immer wieder eine Kurve radieren und eine kleines Grübchen ausbessern, während Frau Gramm ein schönes Wort durch ein noch besseres zu ersetzen suchte. Und so hatten sich zwei gefunden. Ein wahrhaft rätselhaftes Traumpaar, das noch immer glücklich vereint ist.
Und auf Anfrage, ob die beiden denn einen guten Ratschlag für Singles und unzufriedene Eheleute hätten, schmunzelten sie und teilten mit, dass man seinem Gegenüber ruhig ein paar Rätsel aufgeben sollte 🙂

©mauswohn
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